Sinalco: Wie ein deutsches Kultgetränk Coca-Cola trotzt und zum Musical wird

Sinalco: Wie ein deutsches Kultgetränk Coca-Cola trotzt und zum Musical wird

Ein sprudelndes Getränk mit über hundertjähriger Geschichte

Ein vor mehr als einem Jahrhundert in Deutschland erfundenes Erfrischungsgetränk steht plötzlich wieder im Rampenlicht – und das auf ungewöhnliche Weise. Das Staatstheater Detmold feierte den Geburtstag von Sinalco mit einer musikalischen Hommage unter dem Titel „Glück ist eine Orange“, während die Marke selbst weiterhin ihre Nische auf den globalen Märkten behauptet. Hinter dem grellen Etikett verbirgt sich eine Geschichte voller Innovation, Überlebenskampf und harter Konkurrenz mit Riesen wie Coca-Cola.

Alles begann im späten 19. Jahrhundert, als der Ostwestfale Franz Hartmann eine Lösung für ein wachsendes Problem suchte. Die Dampfdestillation hatte die Städte mit billigem Schnaps überschwemmt – mit Folgen wie Gewalt und zerbrochenen Familien. Hartmanns Antwort war ein alkoholfreies Alternativprodukt: ein sprudelndes Getränk aus Orangenschalen und Zitronen, frei von Alkohol. Ursprünglich nannte er es Bilz-Brause – in Anlehnung an Eduard Bilz, eine Figur der Naturheilkunde, dessen Gesicht zum frühen Markenzeichen wurde.

1905 erfolgte die Umbenennung in Sinalco – eine Abkürzung für „sine alcohol“ („ohne Alkohol“) – und der Durchbruch ließ nicht lange auf sich warten. Das Getränk verbreitete sich weltweit und bot in der Belle Époque eine alkoholfreie Alternative. Doch der Weg der Marke war nicht ohne Hindernisse. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde Sinalco zwangs„arisiert“, um nach 1945 „entnazifiziert“ zu werden. Die größte Herausforderung kam jedoch von Coca-Cola: Als der US-Konzern den europäischen Markt eroberte, konnte Sinalco mit dessen Logistik und Marketingmacht nicht mithalten. Selbst Fanta, später von Coca-Cola aus Kriegsresten wie Molke und Apfeltrester entwickelt, überflügelte die Marke. Fast in Vergessenheit geraten, erlebte Sinalco in den 1990er-Jahren ein Comeback, als die RheinfelsQuellen Hövelmann GmbH & Co. KG die Rechte übernahm. Heute produziert die Sinalco Holding GmbH & Co. KG – im Besitz der Familie Schloz und mit Sitz in Bad Ems – über zwanzig Sorten, von „Mango-Drachenfrucht zuckerfrei“ bis „Sinalco Energy“. Sogar die ursprüngliche Bilz-Brause kehrt als Bilz-Seele BioLimo zurück – ein Bio-Limonade, die als „Marty McFly der Limonaden“ vermarktet wird.

Auch außerhalb Europas hat Sinalco treue Anhänger, besonders in Regionen wie dem Nahen Osten, wo Coca-Cola nicht die gewohnte Dominanz besitzt. In diesem Sommer wurde das Erbe des Getränks sogar auf der Bühne verewigt: Das Musical „Glück ist eine Orange“ brachte die wechsvolle Geschichte mit Humor, Drama und einer Prise Zitrusnote zum Leben.

Vom 19. Jahrhundert als Gegenmittel zum Schnaps bis ins 21. Jahrhundert als Musical – Sinalcos Weg ist eine Geschichte des Durchhaltevermögens. Die Marke überlebt nicht als globaler Marktführer, sondern als Kultprodukt mit Aromen und einer Vergangenheit, die Coca-Cola nicht kopieren kann. Mit einem familiengeführten Unternehmen am Ruder und einer wachsenden Produktpalette ist ihr Kapitel noch lange nicht zu Ende.